Donnerstag, 22. September 2016

German Review: Was auch immer geschieht - Bianca Iosivoni

Title: Was auch immer geschieht
Author: Bianca Iosivoni
Rating: 3.5 - 4/5

Danke an NetGalley und Bastei Entertainment für das digitale Rezensionsexemplar dieses Buches.
Nein. Einfach nein. Konnte bitte jemand die Zeit zurückdrehen? Denn ich wollte das hier nicht erleben. Nicht jetzt, nicht heute, niemals. Inzwischen hämmerte mein Herz so schnell, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn es aus meinem Brustkorb geklettert und davongelaufen wäre.

Das hätte ich ja am liebsten selbst getan.

Einfach auf dem Absatz kehrtgemacht, mich wieder ins Bett gelegt und so getan, als wäre das hier niemals passiert. Als wäre nicht ausgerechnet mein Stiefbruder nach Hause zurückgekehrt. Der Mann, den ich seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Der Mann, der meinen Vater auf dem Gewissen hatte.

Meine erste deutsche Rezension. Und dann ausgerechnet für ein Buch, dass einen emotional so aufwühlt, dass man selbst Tage danach seine Gedanken nicht richtig ordnen kann. Das meine ich auf eine positive Art und Weise. Zu Beginn hat mich die Dicke der Geschichte beinahe abgeschreckt, es zu lesen. Neuerdings habe ich eher Gefallen an kürzeren, schnell erzählten Büchern gefunden. Vielleicht ist das der Grund, wieso ich für Was auch immer geschieht ein wenig länger gebraucht habe als üblich. Wobei ich es schon auf Instagram erwähnt habe: Man will sich von der Geschichte von Callie und Keith gar nicht wirklich verabschieden. Nach den ersten paar Seiten, schafft es Bianca Iosivonis Schreibstil, einen in den Bann zu ziehen und die Wörter aufzusagen. Das kann nicht jeder Autor oder jede Autorin von sich behaupten. Besonders derzeit bin ich eher kritisch, was Bücher angeht und es freut mich umso mehr, von dieser Geschichte nicht enttäuscht worden zu sein.

Sicherlich, das Thema der verbotenen Beziehung zwischen Stiefgeschwister wirkt inzwischen sehr beliebt, um nicht gar zu sagen, etwas zu oft behandelt und verfasst. Doch während sich die meisten dieser Geschichten im Bereich Young Adult tummeln, sich die Charaktere begegnen, weil ihre Eltern zusammenziehen und aus einer Hass- eine Liebesbeziehung wird, hat Bianca ihren Fokus auf etwas anderes gelegt. In gewisser Weise verläuft das Ganze genau andersherum, wobei das Buch nicht in zwei oder mehr Teile zerlegt wird und wir erst einen Einblick in die Teenie-Zeit der beiden erhaschen und dann in ihre Gegenwart. So ist es nicht. Ab und zu stolpert man über Szenen, in denen Callie die frühere Zeit beschreibt, aber es wird nicht zu sehr auf die Vergangenheit eingegangen.

Genau das stört mich an einem anderen Punkt, einem viel wichtigeren Punkt. Da ich Angst habe, zu viel zu verraten, kann ich darauf nicht näher eingehen, aber es erschien mir irgendwie falsch, dass Callie einen solchen Hass auf Keith hatte. Später, als Callie sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzte, machte es Sinn, aber zu Beginn und auch noch weitere Zeit danach konnte ich verstehen, wieso sie eine Abneigung gegen ihn verspührt, wollte der Sache aber näher auf den Grund gehen. Und bis es soweit war, musste ich mich doch sehr in Geduld üben. Ich bewundere geduldige Leser, die dem Höhepunkt so entgegen fiebern können, ohne dass es ihnen etwas ausmacht. Natürlich muss ein Buch spannend sein und wäre die Geschichte bereits nach den ersten fünf Seiten erzählt, würde ich mich ebenfalls beschweren, aber ich war einfach wütend auf Callie. So, jetzt ist es raus. Stur klingt zu freundlich, um sie zu beschreiben.

Des Weiteren baut die Autorin nicht übermäßig viele Dialoge ein, was das Lesen ein wenig anstrengend macht. Der Fokus liegt auf den Gefühlen von Callie, auf deren Beschreibung, nicht auf ausgetauschte Sätze und Auseinandersetzungen, obwohl es diese natürlich auch gibt. Das klingt schon wieder nach einer Beschwerde, dabei soll es keine sein. In Wahrheit lässt es mich besser über meinen eigenen Schreibstil denken, denn wann immer ich meine verfassten Kapitel auf ein Neues lese, breiten sich Zweifel in mir aus, ob genügend Diagloge - sinnvolle Dialoge - eingebaut sind. Ich finde es gut, dass Bianca Iosivoni es ähnlich handhabt und nicht auf unnötige, flache Konversationen baut. Die Personen des Buches reden miteinander, wenn sie wirklich etwas zu sagen haben.

Unmöglich kann ich die einzige Leserin sein, die sich nun ein Buch von Callies Schwester wünscht. Autoren neigen dazu, dass ihnen ihre Charaktere ans Herz wachsen. Als Leser ergeht es einem (im besten Fall) nicht anders, und so war es bei Callies Schwester. Ich brenne darauf, zu erfahren, was ihr Leben für sie bereithält, was sie erleben wird. Oh, bitte, bitte!

Ich muss gestehen, normalerweise tue ich mich schwer mit deutschen Autoren. Dafür gibt es keinen bestimmten Grund. Möglicherwiese liegt es daran, dass ich den Eindruck habe, englische Bücher schneller verarbeiten zu können, aber das ist lediglich eine Vermutung. Daher freut es mich, wie sehr ich mitgefiebert habe, wie nahe ich den Tränen stand, als das Schicksal von Callie und Keith ihren Lauf nahm. Was auch immer geschieht hat mich positiv überrascht und eins steht fest: Es war definitiv nicht das letzte Buch von Bianca, das ich lesen möchte.

Oh, und kleine Randnotiz: Team Jess gewinnt! (Wie kann man Team Logan sein?!)

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